Ayurveda in Indien: Realistische Heilungschancen sowie Vor-/Nachteile einer Kur in Indien

Reisen in Indien

Sebastian ZangGeschrieben von:

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Kerala / Indien ist das Ursprungsland der traditionellen Heilkunde Ayurveda, die seit über 5.000 Jahren praktiziert wird. Angebote für Ayurvedakuren bzw. Ayurvedabehandlungen in Indien werden von europäischen Gästen immer häufiger genutzt – nicht nur des Preisvorteils wegen. Für welche Krankheitsbilder gibt es realistische Heilungschancen? Worauf müssen sich europäische Gäste in Indien einstellen? Was sind Vorteile einer Ayurvedakur direkt in Indien?

Ayurveda in Indien – Einführung

Die Literatur über Ayurveda macht deutlich, dass sich diese traditionelle Heilkunst Indiens in verschiedene Schulen bzw. Heilungsansätze ausdifferenziert. Nicht überraschend für eine Heilkunde, die sich über 5.000 Jahre hinweg entwickelt hat. Der gemeinsame Grundgedanke ist jedoch identisch: Eine Ayurveda-Behandlung zielt darauf ab, das Körpersystem ganzheitlich zu harmonisieren bzw. zu balancieren. Elemente einer Ayurveda-Kur umfassen in der Regel Ölmassagen, Entschlackungs- und Reinigungsprogramme, einen spezifischen Speiseplan, ayurvedische Arzneimittel in Form von Kräutermischungen und ein Yogaprogramm. Ayurveda entfaltet seine heilende Wirkung ab einer Anwendung von 14 Tagen, eine Originalkur umfasst 48 Tage.

Anamnese, Therapiegestaltung und Therapiebegleitung werden in der Regel durch einen Ayurveda-Arzt verantwortet. Mit etwas Glück erfolgt die Betreuung durch einen Arzt, der in der generationenübergreifenden Tradition einer Arzt-Familie steht. Dies ist beispielsweise der Fall für Kuren bei BASIS-Reisen. Kurgäste werden hier von einem Ayurveda-Arzt bzw. einer Ayurveda-Arztfamilie in der Tempelstadt Ettumanoor betreut, die auf eine 500-jährige Tradition in der Praktizierung der Heilkunde zurückblicken können.

Nachfolgend ein Interview mit den Gründern von BASIS-Reisen Dr. Mathew und Leelamony Moozhiyil über Heilungschancen mit Ayurveda sowie Vor-/Nachteile einer Kur in Indien. Dr. Mathew Moozhiyil hat seine akademische Ausbildung und Expertise in den Bereichen Agrarwissenschaften, Ernährungskunde und Kräuterkunde; Leelamony Moozhiyil hat über 20 Jahre als (Ober)Krankenschwester in Deutschland gearbeitet. Ein Kurzportrait von BASIS-Reisen findet sich im Artikel “Pioniere nachhaltiger Indien-Reisen feiern Jubiläum”. Seit dem Jahr 2000 bietet BASIS-Reisen in Kooperation mit der Ayurveda-Arztfamilie aus Ettumanoor Ayurveda-Kuren in Kerala / Indien an.

Beide Interviewpartner haben vor dem Start von BASIS-Reisen 20 Jahre in Deutschland gelebt, das Interview wurde in Deutsch geführt. Das Interview vor Ort im Ressort hat etwa 2,5 Stunden gedauert, nachfolgend Auszüge aus dem Gespräch.

Ayurveda in Indien – Interview mit Dr. Mathew und Leelamony Moozhiyil

IndienHeute: Warum kommen Kurgäste bzw. Patienten aus Deutschland für eine Ayurvedakur nach Indien?

Leelamony: Erst einmal ist Kerala das Ursprungsland der Ayurveda. Hier wird alles „richtig gemacht“. Die Kräuter für die Behandlung wachsen ja hier. Auch das Yoga kommt ursprünglich aus Indien, und das ist ein wichtiger Bestandteil der Ayurveda-Therapie.

Mathew: „Richtig machen“ heißt vor allem, dass die traditionelle Ayurveda die Ursachen behandelt. Wenn uns Gäste von Ayurveda-Therapien in Deutschland erzählen, dann scheint oft Wellness eine große Rolle zu spielen. Es gibt eine große Inszenierung von Massagen, als Höhepunkt sogar den Stirnguss [Mathew berührt mit der Spitze des Zeigefingers seine Stirn]. Die Kräutertherapie spielt dabei nur eine Nebenrolle. Aber es ist einmal so: Gerade die Kräuter stellen das Gleichgewicht wieder her, und die Massage beschleunigt diesen Prozess, also die Reinigung und die Heilung. Für die Therapie werden immer frisch verarbeitete Kräuter verwendet, das ist in Deutschland natürlich nicht einfach…

Leelamony: … ja, oft kommen die Deutschen nur nach Kerala, um ayurvedische Kräuter und Medizin einzukaufen. Ich bin hier schon oft Leuten begegnet, die mir sagen, sie kommen drei bis vier Mal pro Jahr nach Kerala. Ayurveda-Ärzte, Heilpraktiker.

Mathew: Was auch einmal richtig ist: Eine Ayurveda-Therapie in Indien ist viel preisgünstiger …

Leelamony: … und nicht nur das. Unsere Gäste kaufen hier auch sonst gerne ein. Stoffe, ayurvedische Cremes, Gewürze. Souvenirartikel. Ich empfehle auch oft den Optiker bei uns im Dorf, gute Brillengläser und Brillen gibt es viel billiger als in Deutschland. Einmal … ja, einmal pro Monat gehe ich da mit Gästen hin, dann kaufen die sich auch gleich zwei Brillen auf einmal [lacht].

IndienHeute: Indien ist ja eine wirklich radikal fremde Kultur. Wie häufig sind denn Bedenken, dass die Versprechen von Marketingprospekten nicht gehalten werden oder die Anliegen von Patienten nicht verstanden werden?

Mathew. Das ist einmal richtig. In manchen Fällen gibt es solche Sorgen, wenn jemand aus Deutschland Interesse an einer Ayurveda-Behandlung bei uns hat. Wir lassen uns dann meistens die Krankheitsberichte und Diagnose schicken, dann klären wir mit dem Ayurvedaarzt, ob er das behandeln kann. Mit vielen Krankheitsbildern haben wir aber auch einmal viel Erfahrung, das teilen wir mit den Interessenten. Viele Gäste kommen aber auch über Freunde und Bekannte, die schon mal hier waren. Da gibt es solche Sorgen dann nicht.

Leelamony: Und wir können natürlich die deutsche Sprache, Gäste können bei uns ohne Englisch eine Kur machen. Wir können den Leuten den Kulturschock abnehmen. Gäste kommen manchmal ganz verängstigt an und wenn ich dann mit Deutsch auf diese Gäste zugehe, sind sie ganz erleichtert.

Mathew: Wir kennen beide Länder und können zwischen beiden Kulturen vermitteln. Wer die Sprache nicht kennt, wird unsicher. Mit der deutschen Sprache gib es diese Unsicherheit nicht; das ist ja auch wichtig, die psychische Einstellung, damit die Therapie funktioniert. Und weißt Du, die Gäste kommen ja auch nach Indien, weil Indien Andersartigkeit bietet, im positiven Sinne [hebt den Zeigefinger und lacht]: Die wollen auch ein bisschen Abenteuer erleben.

Leelamony: Und wenn ich nach Indien gehe, dann lasse ich alle Sorgen zu Hause. Dann kann ich mich auf Ayurveda konzentrieren, da kann die Therapie intensiver erfolgen. Ach, das hätten wir jetzt fast vergessen! [klopft sich mit einer Hand auf das Knie, das von einem Sari bedeckt ist] Jetzt, schau mal auf unsere Kurgäste im Dezember: Viele Gäste kommen natürlich auch wegen der Wärme. Denk mal an Rheuma.

IndienHeute: Welche Krankheiten lassen sich hier durch Ayurveda effektiv behandeln? Bei welchen Beschwerden gab es denn bislang Heilungserfolge?

Leelamony: Oh, das ist aber sehr viel … Laut Ayurvedadoktor, oder ich sage mal, eigentlich eher laut meiner Erfahrung kann man alles behandeln. Aber Ausnahme [Leelamony hebt den Finger]: Ein Blinddarmdurchbruch, dafür muss man natürlich ins Krankenhaus, das ist ein chirurgischer Eingriff. Oder Frakturen. Größere Unfälle. Ein aktuelles Beispiel bei uns: Wolfgang. Er hatte vor einem Dreivierteljahr einen Unfall und konnte seitdem seinen Arm nicht mehr über Schulterhöhe hinaus heben. Er hat zwar Physiotherapie bekommen, aber keine Veränderung. Hier bekommt er Kräutertherapie, Yoga und Massage. Der Massage-Therapeut und der Yoga-Lehrer geben ihm noch spezielle Übungen. Jetzt kann er schon den Arm wieder heben [Leelamony hebt den rechten Arm zur Illustration], also 95% sind fertig, jetzt schauen wir mal, ein paar Tage ist er noch hier.

Mathew: Oder vor einigen Jahren hatten wir eine Patienten, die hatte in Deutschland 15 Jahre mit Sinusitis gekämpft; die ist zu uns gekommen, da war das schon im fortgeschrittenen Stadium, sie hatte also schon eine Stinknase … das heißt, auf diese Entfernung [er dreht sich zu Leelamony neben ihm; mit seiner Hand fährt er einmal die Gesprächsdistanz zwischen beiden ab] konnte man das riechen …

Leelamony: … im Fachdeutsch heißt das „Ozaena“, falls das jemand genau wissen will …

Mathew: … diese Patientin hatte mehrere Operationen hinter sich gebracht, und sie musste laut Verordnung immer wieder mit Salzlösungen spülen. Nachdem der Ayurvedaarzt die Anamnese gemacht hatte, musste sie erst einmal mit den Spülungen aufhören. Dann sechs Wochen Kräutermedizin. Bevor sie nach Deutschland zurückgegangen ist, hat sie noch Tropfen zum Einmassieren bekommen und Kräutermedizin für ein weiteres halbes Jahr. Sie war zwar nur sechs Wochen hier, aber sie hat die Kräutermedizin für die weitere Behandlung nach Deutschland genommen; wir haben ihr regelmäßig Medizin nachgesendet, also anderen Gästen auf dem Rückweg Päckchen mitgegeben. Und nach einem halben Jahr begann das Leben ohne Taschentuch, das Leben ohne ständige Verschleimung, keine Kopfschmerzen mehr. Wir sind immer noch im Kontakt mit der Frau, sie lebt jetzt völlig ohne Beschwerden.

Leelamony: Aber das ist natürlich die Ausnahme, wenn die Behandlung so lange in Deutschland fortgesetzt wird. Die Kräutermedizin muss ja immer frisch sein. Aber wenn es nicht anders geht … eine andere Frau, das ist auch Jahre her, hatte dem Ayurvedaarzt am Ende Ihrer Behandlung eine Zyste am Unterschenkel gezeigt. Vorher hatten wir etwas ganz anderes behandelt, und vielleicht hatte sie dann erst das Vertrauen, das wissen wir gar nicht. Diese Zyste ist nach Operationen, zwei, immer wieder gekommen. Der Arzt hat ihr da auch die Kräuter für Deutschland mitgegeben. Und wir sind natürlich im Kontakt geblieben, wie hieß sie … Sabine [überlegt] … naja, der Name fällt mir noch ein. Aber der Knoten ist jetzt weg. Und auch nicht wieder gekommen.

Mathew: Man muss einmal wissen, dass die Ayurveda gerade bei chronischen Erkrankungen seine Stärken hat. Eine gute Anamnese ist da wichtig, denn oft haben die Symptome gar nichts mehr mit der Ursache zu tun … gerade wenn Krankheiten verschleppt werden oder verdrängt werden, dann tauchen die mit Symptomen wieder auf, die gar nichts mit der eigentlichen Ursache zu tun haben …

Leelamony: … und ganz oft ist das dann eben schon längst chronisch geworden. Vor 8 bis 10 Jahren gab es hier eine Patientin, die hatte … [überlegt] wie nennt man das im Deutschen … also, „Weißen Ausfluss“, das ist eine Frauenkrankheit. Das war eine Frau aus den neuen deutschen Bundesländern. Das ging bei ihr schon mit 20 Jahren los, sie wurde in Ostdeutschland und Westdeutschland behandelt. Sie kam dann zu uns, Mitte 40 war sie da schon, hatte Gottseidank sechs Wochen Zeit mitgebracht. Nach der zweiten Woche ist schon eine Besserung eingetreten. Sie ist dann vollständig geheilt nach Deutschland zurück. Gerade kürzlich hat sie sich wieder gemeldet.

Mathew. Manchmal sind die Krankheiten auch gar nicht klar, wenn die Patienten kommen. Leelamony, du kannst Dich noch an das junge Mädchen erinnern, 29 Jahre: Seit dem 15-ten Lebensjahr hatte sie eine allgemeine Schwäche, also Immunschwäche, äußerlich Blassheit. Immer geschwollene Gelenke, geschwollene Muskulatur, allgemeines Krankheitsgefühl …

Leelamony: … sie musste sogar ihr Studium abbrechen wegen ständiger Krankheiten …

Mathew: … der Ayurvedadoktor hat dann festgestellt, dass sie akute rheumatische Schübe hat. Das hatte man in all den Jahren gar nicht diagnostiziert. Und Rheuma kann man mit Ayurveda sehr gut behandeln.

IndienHeute: Ok, das waren jetzt viele Einzelfälle. Nennt doch einmal die 20 häufigsten Krankheiten, die hier erfolgreich behandelt werden.

Mathew, Leelamony: Rheumatische Erkrankungen, Hepatitis („dafür schicken sogar allopathische Ärzte Patienten direkt zu den Ayurveda-Ärzten, denn dafür gibt es keine Behandlung in der Allopathie“), Magengeschwüre („hierfür gibt es eine sehr gute Therapie“), Magen-Darm-Erkrankungen („auch dafür ist die Ayurveda-Therapie sehr geeignet“), Chronischer Durchfall („Colitis Ulcerosa“), Arthrose, Arthritis, Sinusitis / Nasennebenhöhlenentzündung, Blaseninfekte, Kreuzschmerzen, Schulterschmerzen, Nackenschmerzen, Gelenkbeschwerden im Allgemeinen, Hautprobleme („ganz wichtig“), Kreislaufprobleme / Blutdruckprobleme, Frauenerkrankungen.

Indienheute: Was ist denn mit schweren Krankheiten, wie zum Beispiel Multipler Sklerose? Gibt es darauf auch eine Antwort der Ayurveda?

Leelamony: Wir hatten vor vier bis fünf Jahren eine Frau hier, die hatte das in einem frühen Stadium. Leider Gottes, es gibt Krankheiten, die kann man nicht mehr wegtherapieren. Aber die Ayurveda-Therapie hat Linderung gebracht, die Patientin kann damit jetzt einfacher leben. Das war so schade. Aber meistens erleben wir ja das Gegenteil. Viele Leute verlieren viel Tränen hier in unserer Anlage. Weil sie sich befreien, aus Freude.

IndienHeute: Wie kann man den Heilungsansatz von Ayurveda-Kuren in wenigen Worten beschreiben?

Mathew: Die Krankheit hat ihr Ursache in einer Unausgeglichenheit, eine Dis-Harmonie der drei „Doshas“, also Vata, Pitta, Kapha [Anm. d. Red.: Entspricht nach der Lehre des Ayurveda verschiedenen Energieprinzipien im menschlichen Organismus]. Mit einer Ayurveda-Therapie werden Unausgeglichenheiten beseitigt: „Shamana“; gleichzeitig wird der Körper gereinigt: „Shodena“. Heilung und Reinigung sind die zwei Prinzipien. Mit Ernährung allein kann man aber eine Unausgeglichenheit im fortgeschrittenen Stadium nicht korrigieren, darum werden Kräuter eingesetzt. Kräuter sind hier aber keine Medizin, sondern Ernährungszusätze …

Leelamony: … und wie schon gesagt: Die Massage beschleunigt diese beiden Prozesse, also Heilung und Reinigung …

Mathew: … Ayurveda behandelt zwei Bereiche: Den Magen-Darm-Trakt und die Haut. Und zwar die Ursache, nicht die Symptome. Es ist einmal so: Wenn Krankheiten verdrängt wurden, dann verändert sich das Erscheinungsbild der Krankheit, also die Symptome. Das ist dann wie bei einer Zwiebel mit ihren verschiedenen Hautschichten; im Kern liegt die Ursache, dann legen sich Symptome Schicht für Schicht um diesen Kern herum. Bei einer Ayurvedakur passiert es dann, dass „alte Krankheiten“ plötzlich wieder auftauchen. Ein Beispiel: Ursache ist eine Störung im Magen-Darm-Trakt. Zunächst hat der Patient Magenschmerzen und Verstopfung. Dann gibt es eine Symptombehandlung, die Symptome verschwinden, aber später entstehen daraus Kopfschmerzen. Der Ayurveda-Arzt erkennt das, dann wird die Ursache therapiert, also die Störung im Magen-Darm-Trakt.

IndienHeute: Wo funktioniert die Ayurveda-Therapie denn nicht bzw. bei welchen Krankheiten macht eine Behandlung mit Ayurveda keinen Sinn?

Mathew: Allergie-bedingtes Asthma ist mit Ayurveda schwierig. Bei manchen Patienten kriegt man mit der Therapie die allergischen Faktoren in den Griff, bei manchen wieder nicht.

Leelamony: Ich würde mal sagen, also aus dem Bauch heraus: Vielleicht bei 2 Prozent insgesamt hat die Behandlung nicht angeschlagen.

Mathew: In manchen Fällen kommen Patienten auch mit der falschen Einstellung. Misstrauen zum Beispiel. Da kann die Therapie nicht funktionieren.

IndienHeute: Inwieweit kann denn Misstrauen eine Therapie behindern, die mit Kräutern direkt auf den Stoffwechsel einwirkt. Den Stoffwechsel kann ein Patient doch bewusst gar nicht beeinflussen?

Mathew: Solche Patienten sind bei der Massage verkrampft, die Masseure können dort den Stoffwechselprozess gar nicht anregen. Und Misstrauen verursacht Stress. Stress kann natürlich direkten Einfluss auf den gesamten Organismus nehmen … das sieht man ja an stressbedingten Krankheiten.

Leelamony: Wir hatten bis jetzt zwei Fälle, als zwei männliche Patienten, die im Behandlungszimmer den Doktor angeschrien haben. Das wäre alles „nicht richtig“, da gab es kein Vertrauen. Ich bin bei diesen Behandlungsgesprächen ja immer dabei, und ich wollte den Patienten beruhigen, aber der Doktor hat gesagt, ich soll den Patienten reden lassen [macht mit beiden Händen eine abwehrende Handbewegung]. Er musste dieses fehlende Vertrauen loswerden, seine Ängste einfach aussprechen. Das Schöne war, nach einiger Zeit hat sich dann aber Besserung eingestellt, dann sind die Besprechungen wieder ruhiger verlaufen [lacht]. Wir dürfen nicht vergessen, Patienten müssen sich gegenüber dem Ayurveda-Arzt ja öffnen … sie müssen über Krankheiten reden, die oft peinlich sind. Das ist nicht einfach.

IndienHeute: Was ist die beste Jahreszeit für eine Ayurveda-Therapie in Indien?

Mathew: Wir können für europäische Gäste August bis März empfehlen. Wenn man eine Therapie in einem Resort in einer Bergregion macht, dann auch April und Mai. Denn dort ist es kühler während der Hitzeperiode. Zwar ist die Monsunzeit [Anm. d. Red.: Juni bis Mitte August] auch eine günstige Zeit, aber Europäer empfinden die hohe Feuchtigkeit und den Dauerregen als unangenehm. Gäste müssen sich schon wohlfühlen bei einer Therapie.

IndienHeute: Welche Therapiezeiten sind für einige typische Krankheitsbilder üblich bzw. empfehlenswert?

Mathew: Nicht erschrecken. Drei Wochen sollte ein Patient für eine Behandlung schon mitbringen. Bei chronischen Erkrankungen auch mehr, das ist natürlich nicht immer möglich. Wir empfehlen dann erst einmal mit drei Wochen anzufangen. Wenn die Behandlung anschlägt, dann ist der Patient in der Regel bereit, im nächsten Jahr länger zu kommen.

Leelamony: Bei chronischen Krankheiten und starken Beschwerden sind schon mal sechs Wochen erforderlich …

Mathew: … solche Krankheiten sind ja auch nicht von gestern auf heute entstanden. Meistens kämpfen wir nicht mit akuten Erkrankungen, sondern mit chronischen Erkrankungen. Der Mensch merkt, aha, er kann das nicht mehr leicht beseitigen. Er trifft dann die Entscheidung, das andersseitig zu behandeln. Was über lange Zeit entstanden ist, braucht auch Zeit für die Heilung. Und dafür braucht man dann eine Auszeit. Das Auto kann auch nicht gleichzeitig fahren und repariert werden.

IndienHeute: Wie funktioniert denn die Diagnose. Verschiedene Krankheitsbilder, für die es in Deutschland jeweils einen Spezialisten gibt, werden hier ja von einem Arzt behandelt?

Mathew: Der Ayurveda-Arzt macht eine ganzheitliche Diagnose. Krankheiten sind ernährungsbedingt, genetisch, altersbedingt, umweltbedingt oder psychisch. Jeder Typ hat auch bestimmte Krankheitsneigungen, die bekannt sind. Vata-Typen haben andere Beschwerden als Kapha-Typen. Der Arzt berücksichtigt das alles bei der Anamnese. Außerdem das Hautbild, die Krankheitsgeschichte und so weiter.

Leelamony: Patienten glauben es manchmal gar nicht, dass Ayurveda für Krankheiten aus Deutschland, also dem modernen Deutschland, eine Behandlung kennt. Es gab doch früher gar keinen Burn-Out, sagen die dann, das glauben die einfach nicht. Aber auch „moderne“ Krankheiten sind in Wahrheit meistens altbekannte Krankheitsbilder, die haben einfach einen neuen Namen bekommen. Krankheiten heißen auch oft in unserer Landessprache ganz anders als in Deutschland.

Mathew: In der langen Tradition von Ayurveda gibt es sehr differenzierte Krankheitsbilder. Zum Beispiel kennt die Ayurveda 88 verschiedene Rheuma-Erkrankungen …

Leelamony: … da gibt es zum Beispiel Rheuma im Nacken, Rheuma im Hüftbereich und so weiter.

Mathew: Der Ayurveda-Arzt ist auch nicht der einzige, der sich den Patienten anschaut. Wenn der Massage-Therapeut einen Patienten massiert, sieht er Verspannungen und Knotenpunkte oder Schwellungen. Das besprechen wir dann, der Ayurveda-Arzt bekommt diese Information auch.

IndienHeute: Die Behandlung erfolgt durch einen Ayurveda-Arzt vor Ort, der in der 500-jährigen Tradition einer ayurvedischen Arztfamilie steht. Wie kann man sich die Weitergabe und effiziente Nutzung dieses Erfahrungswissens vorstellen?

Mathew: Bei der Arztfamilie in Ettumanoor arbeiten noch Sohn und Vater zusammen, inzwischen ist sogar noch die Schwiegertochter mit dazugekommen, die hat auch Ayurveda studiert. Sohn und Schwiegertochter haben beide mehr studiert als der Vater, also an einer Universität. Sie sitzen dann mit dem Vater zusammen, um mehr über die familieneigenen, traditionellen Behandlungsweisen zu erfahren.

IndienHeute: Das Erfahrungswissen wird also nur mündlich weitergegeben? Über 500 Jahre hinweg?

Mathew: Von Generation zu Generation wird das vor allem mündlich weitergegeben, ja. Aber Arztfamilien führen auch eigene Familienhefte.

IndienHeute: Was wird da dokumentiert?

Mathew: In das Familienheft dokumentieren die Ärzte Anamnesen, Behandlungen und Ergebnisse. Traditionell haben Ayurveda-Ärzte eine eigene Kräuterküche, in der individuell Kräutermischungen für Patienten hergestellt werden. Variationen der Kräutermischungen und Effekt werden da zum Beispiel dokumentiert.

IndienHeute: Vielen Dank für das Gespräch.

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