Bücher über Indien: „The White Tiger“ – Belletristik

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Sebastian ZangGeschrieben von:

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„The White Tiger“ wirft aus der Perspektive eines Chauffeurs einen kritischen Blick auf das Indien der Unterschichten, Korruption, Seilschaften zwischen Politik und Wirtschaft und das Kastensystem in Indien. Die Erzählung ist in die Form eines Briefs an den chinesischen Premierminister gekleidet und verleiht dem Buch einen Unterton von (schwarzem) Humor.

Bücher über Indien: „The White Tiger“ – Der Inhalt

“The White Tiger”, Aravind Adiga, Harper Collins, 2008

Die Erzählfigur Balram Halwai aus einem kleinen Dorf aus dem Norden Indiens nimmt einen bevorstehenden Besuch des chinesischen Premierministers zum Anlass, dem Staatsgast ein vermeintlich korrektes Bild von Indien zu vermitteln. Dem Autor gelingt mit diesem erzähltechnischen Raffinement, den sozial- und gesellschaftskritischen Kernbotschaften des Buches eine humorvolle Leichtigkeit zu verleihen: Beispielsweise durch Beobachtungen und Schlussfolgerungen, die häufig mit einer Prise von unkritischer Absolutheit bzw. Naivität gewürzt sind (NB: Die Erzählfigur hat keine abgeschlossene Schulbildung). Oder Vergleiche zwischen den unterstellten Botschaften einer offiziellen indischen Delegation an den Staatsgast und der Realität von Balram Halwai.

Die Geschichte beschreibt den Weg Balram Halwai’s von seinen ersten Schultagen in einem kleinen Dorf im nördlichen Bundesstaat Bihar (das mit Madra Pradesh, Rajasthan und Uttar Pradesh eine Gruppe von Bundesstaaten bildet, die besonders kritisch sind in punkto Entwicklungsgrad) über eine Position als Chauffeur bis hin zu seinem Status als Unternehmer in Bangalore. Die Geschichte spielt im modernen Indien und kontrastriert ein rückständiges ländliches Indien (hier: „the darkness“) mit dem Indien voller wirtschaftlicher Dynamik (hier: „the new India“ oder „the Light“).

Die Erzählfigur adressiert eine Reihe von Themen, die zusammengenommen die Herausforderungen Indiens auf einen nachhaltigen und allumfassenden Entwicklungspfad ausmachen. Dieses Buch hat insofern einen Wert, der weit über den Anspruch der Unterhaltung hinausgeht, sondern vielmehr in belletristischer Form ein Bild Indiens aus der Perspektive eines Benachteiligten beschreibt. Freilich darf man das hier gezeichnete Bild nicht mit Indien als Ganzem gleichsetzen: Es existiert keine Figur oder Perspektive, die dieser Perspektive Balram Halwai’s entgegengesetzt würde. Und zudem hat der Autor eine Figur ausgewählt, die er in einem Bundesstaat mit notorischen Problemen in den Bereichen Entwicklung, Bildung und Demokratie ansiedelt. Das Buch ist dennoch ein wichtiger Puzzlestein im Verständnis des heutigen Indiens, das aus so vielen verschiedenen Traditionen, Lebensweisen und „Wirtschaftszonen“ besteht.

Zu den adressierten Themen zählt beispielsweise das Kastensystem, das trotz der offiziellen Abschaffung in der Verfassung von 1947 insbesondere im ländlichen Indien noch immer eine dominante Rolle spielt. Balram Halwei selbst stammt aus der unteren Kaste der „sweet-maker“ und beschreibt, welche Bedeutung dies für seine Lebensgeschichte einnimmt. Die geradezu grotesk schlechte Schulbildung wird ebenso thematisiert, so zum Beispiel das Desinteresse eines unregelmäßig und schlecht bezahlten Lehrers der öffentlichen Schule vor Ort. Ebenso wie bei seinem älteren Bruder bricht die Schulbildung von Halram Balwai im Übrigen abrupt ab, da die gesamte Familie für die Rückzahlung eines Darlehens vom Darlehensgeber zur Arbeit gezwungen wird. Grund für das Darlehen: Die Mitgift für ein weibliches Familienmitglied – ein weiteres Thema in Balram Halwai’s Blick auf seine Lebensgeschichte.

Die Erzählfigur wirft nicht zuletzt einen kritischen Blick auf Korruption in Indien und die unheiligen Seilschaften zwischen Politik und Wirtschaft. Dazu beschreibt er die Geschäftspraktiken seiner Dienstherren, für die er als Chauffeur und „Mädchen für Alles“ angestellt ist. Er beschreibt den klassischen Fall des „Raj licensing System“, in dem Regierungen Lizenzen an private Unternehmen vergibt (hier: für den Kohleabbau) – im Gegenzug für großzügige Bestechungsgelder.

Das Buch hat im Jahr der Veröffentlichung den „Man Booker Prize“ erhalten. Dieser Preis ist mit £ 50.000 dotiert und zählt damit zu den 40 höchstdotierten Buchpreisen weltweit. Er wird verliehen für Romane von Autoren aus dem Commonwealth, Irland und Zimbabwe.

Bücher über Indien: „The White Tiger“ – Der Autor

Der Autor Aravind Adiga war zum Zeitpunkt der Buchveröffentlichung 33 Jahre alt und damit der zweitjüngste Autor, der bis dato den „Man Booker Prize“ erhalten hat. Aravind Adiga stammt aus Chennai/Indien, studierte sowohl an der Columbia und Oxford Universität. Er hat zeitweise als Korrespondent für das Magazin „Time“ gearbeitet, er verfasste ebenso Artikel für die „Financial Times“, „Independent“ oder die „Sunday Times“. Er lebt heute in Mumbai.

Wir freuen uns über Anregungen und Feedback. Schreiben Sie an redaktion@indienheute.de

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