Die Präsenz von McDonald’s, Starbucks oder Tommy Hilfiger in Bangalore sollte nicht darüber hinwegtäuschen: Südindien liegt noch immer in der subtropischen Klimazone, auch wenn vollklimatisierte Oasen für einige Stunden den Rückzug in den American Way of Life ermöglichen. Natürlich, Tropen können toll sein: lauwarme Sommernächte auf Roof Top Restaurants im anderweitig tristen November sind nur ein Beispiel. Aber es kann auch heißen: Moskitos, Denguefieber.
Die ersten drei Tage sind die härtesten: Kopfschmerzen, Knochenschmerzen (heißt auch: („Knochenbrecherkrankheit“), Muskelschmerzen, Durchfall, Übelkeit, Fieber. Lesen ist ausgeschlossen, Fernsehen sowieso. Totale Appetitlosigkeit, nur mit Mühe bisweilen ein Schluck Wasser durch Zwangsverabreichung meiner Frau, außerdem Paracetamol. Am vierten Tag schließlich ebben die Symptome ab, ich lese mich gierig durch die drei letzten Economist-Ausgaben, für den nächsten Tag der Beschluss eines zumindest zeitweiligen Besuchs im Büro.
Der nächste Tag. Das Aufstehen geriet nicht ganz so schwungvoll wie erhofft, dann während der Morgentoilette der physische Kollaps: Die Rasur im Stehen vor dem Spiegel ermüdete mich dergestalt, dass meine Frau in einer Erschöpfungspause schließlich die Rasierklinge übernahm. In Rekordzeit schrumpfte der Vorsatz zur Büroarbeit auf weniger als eine Stunde zusammen – ganz lassen konnte ich freilich davon nicht, das wäre einer totalen Kapitulation gleichgekommen. So nicht.
Dieser Erschöpfungszustand kommt in Krankheitsbeschreibungen so harmlos-abstrakt daher, entfaltet aber in Realität eine Wucht, die sich mit der medizinisch-technischen Sprache nur unzutreffend beschreiben lässt. Fassungslosigkeit ist das erste Empfinden. Hilflosigkeit das nächste. Nun ist ja der Ottonormalverbraucher an eine praktische Medizin gewöhnt, die mit bunter Alchemie so manchen maladen Körper kurzfristig wieder zum produktiven Teamplayer machen kann. Nicht so hier: Blutwerte im Auge behalten, Ausruhen, viel Trinken, mehr könne man nicht tun. „Dengue comes and goes“, erklärte ein Arzt unaufgeregt.
Die Anzahl roter Blutkörperchen fällt bei Denguefieber (stark) ab, ein bestimmter Schwellenwert darf nicht unterschritten werden, sonst Einweisung in ein Krankenhaus (Wert liegt ca. bei 20.000 / 30.000; Normwerte liegen zwischen 150.000 bis 400.000). Das Blutbild sollte man täglich bestimmen lassen; hier hat mich Indien (bzw. Bangalore) positiv überrascht. Bei Lotus Diagnostics (CMH Road, Indiranagar) kostet das 140 Rupien: Eine Schwester nimmt Blut ab, ca. 3 Stunden später kann man die Werte digital über das Webportal abrufen, bei Anfrage wird der Bericht auch per Mail zugesandt. Toll.
Denguefieber gilt als die häufigste durch Stechmücken übertragene virale Erkrankung. Als Tourist sollte man die Bedrohung jedoch nicht überbewerten: Die Wahrscheinlichkeit daran zu erkranken entspricht etwa einem 5er im Lotto. Das einzige, was man wirklich dagegen tun kann, ist guter Mückenschutz. Rein statistisch trifft die Krankheit in Indien jährlich 5 von 100.000 Einwohnern. Nur für Risikogruppen (z.B. Kleinkinder, Senioren) kann die Krankheit lethal verlaufen.
Bei mir zeigte sich nach 6 Tagen (nicht untypisch) ein kleinfleckiger rötlicher Ausschlag mit ausgeprägtem Juckreiz, der sich nach Aussage der Ärzte von alleine zurückbildet. Nach 10 Tagen waren die Symptome alle abgeklungen.
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[1] “Dengue Cases and Deaths in the Country since 2009”, National Vector Borne Disease Control Program / Ministry of Health and Family Welfare, http://nvbdcp.gov.in/den-cd.html [Seitenabruf am 01.11.2015]
[2] „Denguefieber“, Dr. med. Markus N. Frühwein, Online-Ausgabe der „Apotheken-Umschau“, 06.03.2013, http://www.apotheken-umschau.de/Denguefieber [Seitenabruf am 01.11.2015]
[3] „Indien – so viele Verkehrstote wie nirgendwo sonst“, Andrea Spalinger, Online-Ausgabe der Neue Zürcher Zeitung, 5.6.2014, http://www.nzz.ch/panorama/indien—so-viele-verkehrstote-wie-nirgendwo-sonst-1.18315920 [Seitenabruf am 01.11.2015]