Über Nacht entwertet der indische Staat 500er und 1000er Rupien Scheine um Schwarzgeld und Korruption zu beenden. Für das ländliche Indien ist dieser Schritt jedoch eine größere Herausforderung.
„Ich habe 80 Rupien in der Hand, fahren Sie soweit es geht. Den Rest laufe ich“. Der Mann mittleren Alters, der dem Rickshaw-Fahrer seine finanzielle Lage offenbarte, sah nicht arm aus. Er war nur einer der vielen Menschen Indiens die über Nacht kein Bargeld mehr in den Händen hatten.
12.11.2016 – Es war der 4. Tag nach Ankündigung des indischen Staates, dass die 500er und 1000er Rupien Scheine ab sofort entwertet und ungültig seien.
Was der indische Staat anvisiert
Wie auch in anderen Ländern kämpft der indische Staat schon seit Jahren gegen den Schwarzmarkt. An der obersten Stelle der Weltstatistik stehen Bolivien und Russland. Mittig sind Spanien und Indien, dicht gefolgt von Deutschland und Frankreich. Anscheinend hat Amerika seine Schattenwirtschaft am ehesten im Griff (Mehr Info). Einige der verschiedenen Vorhaben des indischen Staates waren u.a. die Frist zur freiwilligen Meldung aller Steuerflüchtlingen bis zum 30. September 2016 (Mehr Info) oder gar die Geldentwertung im Jahr 1978 (Mehr Info).
Die neueste Maßnahme war jedoch radikaler und ohne jegliche Vorwarnung. Über Nacht wurden alle 500er und 1000er Scheine des Landes als ungültig erklärt. Somit möchte der indische Staat nun endlich jeden Schwarzhandel, der selbstverständlich mit den höchsten Werten der Währung durchgeführt wurde, sowie das Horten von größeren Geldsummen und ungemeldete größere Zahlungen abrupt stoppen.
Der Staat verkündete eine umgehende (bis in 2 – 3 Wochen durchgeführte) Bereitstellung von neuen 2000ern und 500ern Geldscheinen. Ebenso gibt er ein Zeitfenster bis zum 30.12. um entwertete Scheine umzutauschen.
Wie die Auswirkung im ländlichen Indien aussah
Ca. 75% der indischen Haushalte funktionieren in bar und selbstverständlich in der höchst möglichen Denomination, nämlich 500ern und 1000ern. Die plötzliche Entwertung führte zu einem schlagartigen Halt in den finanziellen Abwicklungen des ländlichen Indiens.
Ca. 85% des Bargeldes im Umlauf in Indien sind 500er und 1000er Rupien Scheine. Nur weniger als 14% sind die restlichen 100er, 50er, 20er und 10er Geldscheine, von denen wiederum ca. 6% in Geldautomaten stecken. Also funktionierte der indische Subkontinent erst mal mit ca. 8% des verfügbaren Bargeldes. Der Massendrang nach Geld führte dazu, dass in kürzester Zeit die Geldautomaten entweder leer standen oder ihren Geist aufgaben. Gemüsemärkte, Fischmärkte und lokale Kleingeschäfte blieben unbesucht. Die Menschen hatten entweder kein Bargeld um zu zahlen oder es herauszugeben.
Zum ersten Mal war der ärmste Inder im Lande der Reichste. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass er Kleingeld und keine großen Scheine hat, bleibt unumstritten.
Auch Banken waren in jeder Weise unvorbereitet. Unendliche Menschenschlangen bildeten sich vor Banken mit überforderten Bankangestellten, um ihre 500er und 1000er Scheine auf das eigene Konto (falls man eines hat) einzuzahlen. Zwar verkündete der Staat, dass man jeweils 2000, 4000 und 10.000 Rupien vom Automaten abheben, in der Bank umtauschen oder sich vom Konto auszahlen lassen könne, doch die Banken waren leer. „Mir ist ganz wirr im Kopf“, sagt der Bankmanager einer lokalen Bank. „Den ganzen Tag hören wir uns den Ärger unglücklicher Kunden an und alles was wir haben sind nur 10er und 20er Geldscheine. Kunden, die größere Summen abheben möchten, schicken wir einfach leer zurück“. Auch die größte Bank Indiens, die SBI [State Bank of India], verriegelte wegen Geldmangel kurzfristig ihre Türen.
Für weitere zwei Tage sollten Tankstellen noch die alten Scheine (ohne Wechselgeldausgabe) akzeptieren. Auch staatliche Krankenhäuser sollten weiterhin diese Scheine annehmen. Krankenhausangestellte waren jedoch anderer Meinung.
Tagelöhner, die ihr Lohn Grundsätzlich in Bar erhalten, blieben leer aus.
Was der indische Staat versichert
So langsam sind die 2000er Rupien Scheine im Umlauf, jedoch erst in den Städten. Ferner sollten noch neue 500er Scheine in den Umlauf kommen. Wechselgeld bleibt weiterhin ein Problem. Die 220.000 Geldautomaten im Lande sind nicht für die neuen Scheine ausgerüstet und werden noch manuell umgetauscht oder umgestellt. Der Premier Minister Narendra Modi versichert Transparenz und Beseitigung aller Schwierigkeiten im Zeitraum von drei Wochen.
Die oben angegebenen Infos sind aus Erfahrung erster Hand der Autorin oder aus lokalen Medien.