Reisebericht Südindien: Wo Tuk-Tuks durch Schlaglöcher fahren und die Herzlichkeit zuhause ist

Reisen in Indien

Michaela KluinGeschrieben von:

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„Hi, I´m Randy!“ Freundlich strahlend begrüßte mich der indische Taxifahrer, als ich nachts um 5 am Flughafen Kochi in sein Auto stieg. Wir fuhren durch die Nacht, durch den aufregenden indischen Straßenverkehr und unterhielten uns angeregt über Kochi, Kerala, die Menschen, Religionen, das Wetter und vieles mehr. Bei jeder Kreuzung war ich unsicher, ob er mich nun wirklich zum richtigen Ort bringen würde, ob er wirklich vertrauensvoll ist. Nach 1,5 Stunden Fahrt wusste ich dann: Er führt nichts Böses im Schilde und ist einfach nur freundlich. Und Freundlichkeit sollte ich bei meiner Indien-Reise noch vielfach erleben: 10 Tage verbrachte ich im schönen Kerala, in „Gods Own Country“, und die Herzlichkeit der Einheimischen beeindruckte mich zutiefst. Egal, wo ich hin kam, die Menschen waren höflich, zu keiner Zeit aufdringlich oder beängstigend. Hier konnte ich mich rundum wohlfühlen.

Wenn man als Frau das erste Mail nach Indien reist, hat man gewiss ein mulmiges Gefühl und ein paar negative Gedanken im Hinterkopf. Die deutschen Medien zeichnen ein Bild von Indien, was vor allem mit Massenvergewaltigungen und furchtbarer Armut zu tun hat – doch das wahre Gesicht des 1,3-Milliarden-Einwohner-Staates wird kaum abgebildet. Denn Indien ist nicht einfach Indien! Es ist ein Land, das aus so vielen einzelnen Staaten besteht, dass selbst ein Inder sie alle kaum aufzählen kann. In Indien sprechen die Menschen nicht Indisch – sie sprechen Hindi, Tamil, Urdu, Sanskrit, Bengalisch und viele weitere Regionalsprachen – wie Malayalam in Kerala. Sie gehen zum Beten in Tempel, Moscheen oder Kirchen und leben in großen Villen, grünen Farmhäusern, charmanten Hütten oder unter freiem Himmel. Die Vielfalt, die dieses Land bietet, ist einfach faszinierend und wer ein wenig flexibel, verrückt und weltoffen ist, kann es nur lieben. Wo man als hellhäutige Frau in manchen Urlaubsländern angefasst und gegen Kamele eingetaucht werden soll, fühlt man sich in Indien nur bewundert. Sitzt man in einem Zug, kann man mit vielen Augenpaaren rechnen, die auf einen gerichtet sind. Doch diese Augen tun nichts; sie beobachten und bestaunen, vielleicht bekommt man auch ein „Beautiful eyes!“ zugerufen – aber sie berühren einen nicht oder werden fordernd. Ich habe alle indischen Verkehrsmittel ausprobiert von Taxi über Fähre bis hin zum Tuk-Tuk und in keinem Moment habe ich mich unwohl gefühlt. Nur das Feilschen bleibt einem bei dem ein oder anderen Fahrer natürlich nicht erspart, aber auch das hat seinen Reiz.

Neben dem indischen Straßenverkehr konnte ich während meines Aufenthalts in Kerala auch das Leben und die Gewohnheiten vor Ort kennenlernen. Ich wohnte auf einer irgendwie Schlaraffenland-ähnlichen Farm etwa 60 Kilometer südöstlich von Kochi bei der Familie Moozhiyil. Das Ehepaar Mathew und Leelamony baute hier vor rund 25 Jahren, nachdem sie zuvor lange Zeit in Deutschland gelebt hatten, eine Farm auf, die nachhaltig wirtschaftet und wo Obst und Gemüse wächst, soweit das Auge reicht. Für mich als Obst-Fanatiker war es also wahrlich wie im Schlaraffenland: Papayas, Bananen, Ananas, Melonen und Kokosnüsse (okay, die zählen wahrscheinlich nicht unter die Sparte Obst, sind aber auch sehr lecker und erfrischend) an jeder Ecke. Doch nicht nur im Ernährungsbereich setzen die gelernte Krankenschwester und der promovierte Agrarwissenschaftler auf Nachhaltigkeit: Mit tollen Projekten wie einer Näherei und einer Buchbinderei bieten sie den Menschen in der Umgebung Arbeits- und Ausbildungsplätze und unterstützen so den Aufbau der Gesellschaft. Als Reisender fühlt man sich hier rundum wohl: Man kann morgens Yoga-Stunden nehmen, sich Ayurveda-Kuren hingeben, am Reisfeld den Sonnenuntergang beobachten – oder einfach das leckere indische Essen genießen und die Umgebung mit ihren Backwaters und zahlreichen Tempeln unsicher machen.

Eines meiner beeindruckendsten Erlebnisse, bei dem ich völlig in das indische Leben eintauchen konnte, war der Besuch einer Hindu-Hochzeit. Ich – hellhäutig und blauäugig – fand mich an einem Morgen in einer Schar von Indern wieder. Die Frauen in ihren farbenfrohen Kleidern und Saris, die Männer in Dhotis und Anzügen. Ein junges Mädchen, 12 Jahre, kam auf mich zu und fragte mich ganz wissbegierig in einem wirklich guten Englisch über die deutsche und europäische Kultur aus. Sie erzählte mir von ihrer Familie und ihren beruflichen Träumen und war fasziniert, als ich ihr berichtete, wie sich das Leben in Deutschland so gestaltet. Ich spürte, sie war weder unglücklich mit ihrem Leben noch neidisch auf das unsere – sie wollte die Welt bereisen und neue Kulturen kennen lernen und darin waren wir uns, trotz der unterschiedlichen Hautfarbe, sehr ähnlich. Die Hochzeitszeremonie selber nahm nicht viel Zeit in Anspruch. Sie unterschied sich deutlich von den mir bekannten christlichen Hochzeiten: Es wurden keine Lieder gesungen und ich konnte auch die Worte des Priesters nicht verstehen. Doch trotz dessen war es spannend mitzuerleben, wie andere Religionen eine Ehe schließen und welche Bedeutung der Familie und Freunden zukommt. Der Raum, in dem die Feier stattfand, war gut gefüllt, es waren mehrere Hundert Leute da (wie bei indischen Hochzeiten recht üblich) und bei dem Essen musste man sich einen Platz am Tisch erkämpfen. Hatte man sein Bananenblatt dann leerggegessen, wurde alles abgeräumt und die nächsten Gäste konnten speisen. Zur „Untermalung“ sangen einige Musiker indische Lieder – die Boxen waren dabei gefühlt auf höchste Stufe gedreht. Doch das ist Indien: Trubelig, laut, herzlich und einfach faszinierend. Ein Land, das durch seine Vielseitigkeit geprägt ist und in dem man vieles erleben kann. Ein Land, das mich wahrlich begeistert hat und in das ich auf jeden Fall wieder reisen werde!

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